Interviews

Doro vom 22.03.2020

ein Fragebogen-Interview von: Doro

mit dem Handicap: Blindheit, Autismus, ADHS, Niereninsuffizienz, leichte Probleme mit der Feinmotorik und Koordination.
verursacht durch: Genetik, es ist das cep290. Autismus und ADHS können auch in der Familie liegen, haben einige bei uns.

der Umgang von Doro mit diesem Handicap:
Ich versuche, die Dinge zu machen, die ich kann. Ich finde, es gibt Unterschiede zwischen behinderten und Menschen, die keine Behinderung haben. Ich versuche, die Dinge zu machen, die ich kann. Ich finde, es gibt Unterschiede zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen, die häufig verleugnet werden. Ich habe sehr viele Barrieren und Hindernisse und Niederlagen erlebt. Ich muss sehr viel kämpfen. Ich finde, es ist blöd, immer herunterzuspielen, dass wir eine Behinderung haben, und immer so zu tun, als könnten wir Behinderte alles so machen wie alle anderen auch. Dies ist sowohl durch äußere Barrieren als auch durch die Behinderung selbst nicht möglich. Ich versuche, weitesgehend das zu tun, was ich kann.

was Doro wirklich an diesem Handicap stört:
Das so viele Dinge zusammenkommen. Zusätzlich bin ich auch nur 1,56 m groß, wenn man dann noch blind ist und die Hände zum Tasten dauern in die Höhe heben muss, oder in die Höhe hüpfen muss, um etwas zu erreichen, was man gar nicht sieht, ist das schwierig. Ich werde von den Leuten häufig über den Kopf gestreichelt oder angefasst oder mit du angeredet. Ich wirke sehr kindlich und naiv, obwohl ich studiert habe. Es ist nicht eine einzige Behinderung, es ist das Ganze Konglomerat, und es sind häufig Dinge, die man gar nicht wirklich verbal beschreiben kann, wo die Behinderung eingreift, es sind so viele Kleinigkeiten, die mir Dinge unmöglich machen. Geht es wegen der eine Behinderung nicht, dann geht es wegen der anderen, und so weiter. Das eine geht nicht, weil ich nicht sehe, das andere geht nicht, weil ich Probleme mit dem Gleichgewicht habe, und das nächste geht wiederum wegen was anderem nicht. Somit spielen die Behinderungen sehr stark ineinander. Mich ärgert auch, dass ich viele nicht sichtbare Störungen habe, und dass man oft gar nicht weiß, was es genau ist, warum ich etwas nicht kann. Und ich brauche so viele extra Dinge und muss so viel durch die Gegend rennen, um das zu kaufen, womit ich klarkomme. Einerseits wegen der Augen und andererseits wegen der Feinmotorik. Das ist extrem umständlich. Und ich muss viel kämpfen.

Sachen die mit diesem Handicap nicht machbar sind:
Ich würde viel häufiger Dinge machen, bei denen man mit Menschen in Kontakt treten muss, aber obwohl ich sehr kontaktfreudig bin, bin ich sehr ungeschickt, und daher komme ich häufig wegen dem Autismus und der Kontaktschwierigkeiten nicht so in Verbindung. Dann ziehe ich mich lieber zurück und mache nur Dinge, die man alleine tun kann, weil ich lieber alleine bin als einsam unter vielen. Auch würde ich gerne Fahrrad fahren können, nicht unbedingt Auto. Ich würde so gerne auch mehr Heimwerker Tätigkeiten machen können, damit ich nicht immer auf die Hilfe anderer angewiesen bin. Ich hätte so leidenschaftlich gerne in meinem Beruf als Diplom-Übersetzerin gearbeitet. Aber mich wollte keiner. Meine Berufung war immer, Ärztin zu werden, aber das geht auch nicht.

Doro Erfahrungen mit diesem Handicap:
Während meiner gesamten Schulzeit bin ich gequält und gemobbt worden. Die ersten sechs Jahre war ich in einer sehbehindertenschule, da ging es noch halbwegs, ich war aber aufgrund meiner nicht erkannten Mehrfachbehinderung die behinderte unter den Behinderten. Während meiner Gymnasialzeit war ich im Internat und bin auf das Übelste bis aufs Blut gequält worden. Mir hat aber keiner geglaubt, das sei alles nur Einbildung. Das hat meine Wahrnehmung extrem verzerrt. Bis heute kämpfe ich darum, dass dies endlich mal anerkannt wird. Mir hat man aber nur die Schuld dafür gegeben oder behauptet, ist ja nur überempfindlich. Ich werde von den Leuten häufig mit Du angesprochen oder angefasst. Man rückt mir auf viel zu nah auf die Pelle. Wir werden meine Kompetenzen oft nicht geglaubt, viele Dinge werden mir nicht abgenommen, die ich erkläre, obwohl ich englischen Spanisch und Ergänzungsfach Medizin studiert habe. Es sind so subtile Dinge, dass man einfach mich nicht ausreden lässt oder sich wegdreht, während ich noch mit den Leuten rede. Ich werde zwar gut behandelt, doch werde ich häufig nicht für voll genommen. Dadurch, dass ich so klein bin, schauen die anderen immer auf mich herab, und ich muss immer den Kopf heben. Ich bin eher so die kleine dumme und naive, die halt lieb sein soll, und man darf seine Meinung nicht so sagen wie andere, weil das viel härter ausgelegt wird, weil es keiner von einem erwartet. Die Rolle des dummen Kindes habe ich langsam satt.


Doro ist auf www.handicap-lexikon.de aufmerksam geworden durch:
Über Facebook wurde euer Handicap Lexikon geteilt, es erschien ein Bericht, und diesen Link habe ich dann geöffnet und gelesen.

was Doro noch unbedingt loswerden will:
Ich habe auch euren YouTube Kanal abonniert. Und ich möchte sagen, dass Behinderte untereinander häufig recht grausam sind, wenn z.b. ein Blinder etwas schlechter kann als ein anderer, wird sofort über ihn gelästert. Behinderte untereinander können noch schlimmer sein, da sie heute von der Nichtbehinderten was abkriegen und sich dann noch einen schwächeren suchen, an denen sie es dann wieder auslassen können und zeigen, ich bin immer noch besser als du. Das finde ich furchtbar. Auch wenn man mal zugibt, ja, ich leide unter meiner Behinderung, ist dies verpönt. Man muss immer sagen, ich bin genau wie die anderen, ich kann alles wie die anderen. Man darf auch das Wort Mitleid nicht in den Mund nehmen, obwohl doch eigentlich mitleiden gar nicht so schlimm ist, es sei denn, es ist Verachtung oder Herablassung. Man muss auch immer betonen, dass man gut damit klar kommt, oder man wird von oben betrachtet, die kann halt ihre Behinderung nicht akzeptieren. Ich möchte, dass es auch eine soziale barrierefrei gibt für Autisten, dass es Menschen gibt, die einem helfen, dass man mehr mit den anderen in Kontakt kommt, wann sie einen anschauen, wann man was sagen kann, oder dass sie andere mal aufmerksam machen, hallo, die möchte noch was sagen, damit ich mich nicht immer so durchsetzen muss. Macht weiter so, viele Grüße.